Team
Prof. Dr. Christoph Seibert
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik; Hochschule für Musik Karlsruhe
ECR Rolle: Associated Researcher MPIEA
Grüneburgweg 14
60322 Frankfurt am Main
Am Schloss Gottesaue 7
76131 Karlsruhe
Bio
Christoph Seibert ist Professor für Musikinformatik am Institut für Musikinformatik und Musikwissenschaft der Hochschule für Musik Karlsruhe und Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main, wo er zuvor als Postdoktorand tätig war. Nach Studien der Musikwissenschaft und der Ton- und Bildtechnik wurde er 2014 mit einer Arbeit über Musik und Affektivität an der Hochschule für Musik Karlsruhe promoviert.
Im Rahmen seiner Tätigkeit als Klangregisseur und Musikinformatiker war er Stipendiat der Internationalen Ensemble Modern Akademie und arbeitete in der Folge mit zahlreichen KomponistInnen und Ensembles. Seine musikbezogenen audiovisuellen Arbeiten wurden unter anderem beim Beethovenfest Bonn, dem Heidelberger Frühling und dem Beyond 3D-Festival in Karlsruhe gezeigt.
Im Sinne einer transdisziplinären Musikforschung bezieht er in seiner Forschung verschiedene philosophische, empirische und musiktechnologische Perspektiven und Methoden ein. Seine derzeitigen Arbeits- und Forschungsschwerpunkte umfassen ästhetische Erfahrung, Musikästhetik aus der Perspektive situierter Kognition, Konzertforschung sowie Musik und Künstliche Intelligenz.
Research Statement
Situierte Aspekte des ästhetischen Musik-Erlebens im klassischen Konzert
Die Praxis der Musikrezeption im Rahmen klassischer Konzerte ist von restriktiven Verhaltenskonventionen geprägt. Während der Aufführung sind verbale Äußerungen und körperliche Bewegungen auf Seiten des Publikums sowie die Kommunikation zwischen den Publikumsmitgliedern unerwünscht. Ansätze, die, ausgehend von aktuellen kognitionswissenschaftlichen und philosophischen Überlegungen zu situierter oder 4E Kognition, Musik-Erleben etwa als körperlich verfasst (embodied) oder als über mehrere Individuen verteilt (distributed) konzeptualisieren, scheinen daher für die Beschreibung des Musik-Erlebens in klassischen Konzerten zunächst weniger geeignet. Vor diesem Hintergrund sollen im Rahmen dieses Projektes empirische Ansätze entwickelt und eingesetzt werden, die es erlauben situierte Aspekte des Musik-Erlebens (etwa Verkörperung oder Verteilung) in verschiedenen Formen klassischer Konzerten zu untersuchen. Im Fokus stehen dabei das Auftreten koordinierter Körperbewegungen als nonverbale Synchronie und der Zusammenhang zwischen den Synchronien innerhalb des Publikums und Aspekten des subjektiven Musik-Erlebens.
Die Rahmung klassischer Konzerte
Im Rahmen dieses Projektes wird die Wirkung der Rahmung klassischer Konzerte untersucht, indem diese systematisch verändert wird. Mit dem Begriff der Rahmung ist in Anlehnung an Erving Goffman jene soziale und institutionelle Einbettung des Konzerts bezeichnet, die etwa über den Raum, das spezifische Setting und Verhaltenskodizes gewisse Hörweisen, musikalische Erschließungsstrategien und Erlebens-Formen nahelegt. Für die experimentelle Manipulation im Zuge der Forschungskonzerte ist zu klären, ob herbei die Rahmung verändert wird, oder ob hierbei auch das ästhetische Objekt selbst betroffen ist. Dies ist zunächst eine theoretische Frage, die eine präzise Konzeptualisierung der Rahmung, des ästhetischen Objekts und deren Verhältnis zueinander erfordert. Insbesondere gilt es verschiedene Ebenen der Rahmung (etwa körperlich, sozial, synchron, diachron, etc.) zu differenzieren. Ziel ist es einen Begriffsapparat zu entwickeln, mit dem sich die geplanten Forschungskonzerte – das Standardkonzert und all seine Veränderungen – hinsichtlich ihrer eindeutig und präzise beschreiben lassen. Daran anknüpfend soll untersucht werden, wie die Publikumsmitglieder und die Musiker die Frage nach dem Verhältnis von Rahmung und ästhetischem Objekt hinsichtlich ihres Musik-Erlebens beantworten.
Das klassische Konzert im Zeichen musiktechnologischer Entwicklung
Eine künstlerisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Form des klassischen Konzerts ist aus Sicht der Musikinformatik in zweierlei Hinsicht von Interesse. Die Aufführung von Werken mit einer intermedialen, intermodalen und interaktiven Konzeption impliziert die Frage nach einer geeigneten Darbietungsform. Umgekehrt bietet der Einsatz von Musiktechnologien der erweiterten oder virtuellen Realität, der virtuellen Akustik und der Interaktion neue Möglichkeiten hinsichtlich der Immersion und Partizipation im Rahmen klassischer Konzerte. Im Zuge der Ausgestaltung einzelner Variationen unserer Forschungskonzerte soll das Potential entsprechender Technologien untersucht werden.